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Afghanistan: Kein bisschen Frieden

Zwanzig Jahre hat der Versuch gedauert, Afghanistan in einen modernen demokratischen Staat zu transformieren. Ein Versuch, der mittlerweile als weitgehend gescheitert angesehen werden muss. Weder die mit modernen Waffen ausgestattete und von US-Ausbildern geschulte Armee noch die von Deutschland ausgebildeten Polizeikräfte konnten die Rückkehr der Taliban verhindern. Der Vormarsch der Gotteskrieger gestaltete sich so reibungslos, dass der Abzug der westlichen Truppen einer hektischen Flucht glich. Bereits im Jahr 2009 hatte der amerikanische Isaf-Kommandeur Stanley McCrystal vor einem solchen Szenario gewarnt und die amerikanische Politik und die afghanische Regierung gleichermaßen kritisiert.

In Deutschland verwies man gerne auf Erfolge, vor allem hinsichtlich der Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen. Ob es dafür auch außerhalb der Städte Akzeptanz gab, kann jedoch bezweifelt werden. Selbstverständlich gibt es die Menschen, die die Freiheiten der vergangenen 20 Jahre geschätzt und die ihr Leben für Fortschritt und Demokratie riskiert haben. Aber es gibt auch diejenigen, die die Ausländer als Besatzer gesehen und die von ihnen vertretenen Werte als gott- und ehrlos abgelehnt haben. Die überwiegende Mehrheit der Afghanen lebt auf dem Land und dort steht man den Werten der Moderne zumindest skeptisch gegenüber. Wie schwer es für emanzipierte Frauen war, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen, zeigt das Beispiel von Zarifa Ghafari, der ehemaligen Bürgermeisterin der Stadt Maidan Shar. Sie konnte ihr Büro monatelang nicht betreten, weil wütende Männer sie daran hinderten; aus Sicherheitsgründen musste sie in Kabul bleiben. Ghafari ist mittlerweile in Deutschland und fühlt sich von den internationalen Kräften im Stich gelassen, wie viele moderne Städter in Afghanistan, die an das Versprechen einer menschenrechtsorientierten Moderne unter westlichem Schutz glaubten. In gewisser Weise wiederholt sich jetzt eine afghanische Geschichte, die fremder Herrschaft stets ebenso viel Widerstand entgegengesetzt hat wie modernen Reformen - zu denen an erster Stelle auch die Frauenrechte gehören.

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